China baut neue Weltbörse: Ersetzt der Yuan den Dollar?

Der verborgene Machtkampf um den Goldpreis
Gold ist nicht nur ein Edelmetall – es ist ein geopolitisches Machtinstrument. Während der Westen über London (LME) und New York (COMEX) jahrzehntelang die Preisbildung kontrollierte, hat China nun eine klare Kampfansage formuliert: Die internationale Vormachtstellung bei der Preisfestlegung von Edelmetallen soll zurück nach Osten geholt werden.
Am 21. April berichtete das Datenportal Jinshi Data, dass die People’s Bank of China gemeinsam mit drei weiteren Regierungsbehörden einen umfassenden Plan zur Internationalisierung der Shanghai Gold Exchange (SGE) auf den Weg gebracht hat. Das Ziel: „Die Funktion zentraler Finanzplattformen zur Allokation globaler Ressourcen stärken“. Eine trockene Formulierung – doch dahinter verbirgt sich ein radikaler Umbau der globalen Goldarchitektur.

Angriff auf die Benchmark-Dominanz Londons
Das Herzstück des Plans ist der Aufbau von Auslieferungslagern außerhalb Chinas. Damit soll die SGE physisches Gold direkt an internationale Abnehmer liefern können – ein Schritt, der elementar ist, um sich langfristig als globale Referenzbörse zu etablieren. Bislang wird der Großteil des weltweit gehandelten Goldes über den Londoner Markt gepreist. China als weltweit größter Goldverbraucher musste seine physischen Verträge dennoch stets an westliche Benchmarks koppeln. Das könnte sich in Zukunft nun grundlegend ändern.
Laut Berichten von Reuters ist es Chinas erklärtes Ziel, „die Preisgestaltung der riesigen Mengen an Industriemetallen, die es produziert und konsumiert, selbst zu übernehmen“. Die Folge wäre eine Fragmentierung des globalen Metallmarktes – mit potenziell gravierenden Konsequenzen für die westlich geprägte Finanzordnung.
Der Renminbi als neue Goldwährung?
Ein weiterer zentraler Aspekt: Die neue Initiative will gezielt die Anwendung von RMB-Benchmarkpreisen in internationalen Märkten fördern. Das bedeutet konkret: Verträge und Preise sollen verstärkt auf chinesische Yuan-Basis geschlossen werden – ein direkter Angriff auf die Dominanz des US-Dollars im Rohstoffhandel. Der SGE-Plan sieht vor, Produktlizenzierungen mit ausländischen Börsen zu etablieren.
Was harmlos klingt, ist in Wahrheit eine gezielte Taktik, um ausländische Investoren in das chinesische Finanzsystem zu locken – zu chinesischen Bedingungen. Wang Fenghai, Generaldirektor der Shanghai Futures Exchange (ShFE), erklärte im Juni 2024 gegenüber staatlichen Medien unmissverständlich: „Nur durch Öffnung können wir ausländische Investoren anziehen und unseren Einfluss auf die Preisbildung erhöhen.“
Shanghai im Goldrausch: Handelsvolumen explodiert
Die aktuellen Zahlen der Shanghai Gold Exchange (SGE) zeigen einen deutlichen Anstieg des Handelsvolumens im Kontrakt Au(T+D). Im März 2025 erreichte das tägliche Handelsvolumen rund 108 Tonnen Gold – ein neuer Höchstwert und deutlich über dem Niveau der letzten Jahre. Zum Vergleich: Im Londoner Edelmetallzentrum meldet die London Bullion Market Association (LBMA) ein durchschnittliches tägliches Goldhandelsvolumen von rund 600 Tonnen. Damit liegt Shanghai derzeit noch deutlich hinter London, doch der Abstand verringert sich sichtbar – vor allem vor dem Hintergrund strategischer Initiativen zur Internationalisierung der SGE.
Der Anstieg lässt sich gut in den aktuellen Kontext einordnen: Geopolitische Unsicherheiten, ein wachsendes Interesse an physischem Gold sowie Diskussionen innerhalb der BRICS-Staaten über mögliche goldgedeckte Handelsmechanismen könnten diesen Trend zusätzlich befeuern. Ob sich daraus langfristig eine ernsthafte Konkurrenz zur LBMA entwickelt, bleibt abzuwarten – aber die Weichen für eine stärkere Rolle Chinas im globalen Goldmarkt sind eindeutig gestellt.

Gold: Chinas Trumpfkarte?
Während der Westen mit wachsenden Schuldenbergen ringt, könnte China – und möglicherweise die gesamte BRICS-Allianz – auf einem anderen Schatz sitzen: physischem Gold. Offiziell weist China lediglich 2.300 Tonnen an Goldreserven aus. Doch mehrere externe Analysten schätzen, dass das Land über inoffizielle Kanäle bereits zwischen 10.000 und 20.000 Tonnen akkumuliert haben könnte.
Diese Vermutungen stützen sich auf intransparente Importzahlen, die massive Goldverarbeitung durch chinesische Raffinerien und geopolitische Strategien, die bis in die 1970er-Jahre zurückreichen. In einschlägigen Fachkreisen und sozialen Medien wird zudem spekuliert, dass China womöglich auch für andere BRICS-Staaten Gold einlagert – als Teil einer koordinierten Strategie zur Schaffung eines goldgedeckten multilateralen Zahlungssystems.
Ein solches BRICS-Goldprojekt hätte weitreichende Implikationen: Es könnte eine ernstzunehmende Alternative zum bisherigen, westlich dominierten Finanzsystem darstellen – nicht nur als Abrechnungseinheit im Handel, sondern auch als Vertrauensanker in Krisenzeiten. Ein entscheidender Schritt in diese Richtung wäre die Etablierung eines neuen Preisbildungsmechanismus, losgelöst von der London Bullion Market Association (LBMA), die bislang die globale Goldpreisfestlegung maßgeblich bestimmt.
Die jüngsten Initiativen zur Stärkung der Shanghai Gold Exchange (SGE), inklusive der geplanten internationalen Lagerhäuser und RMB-Benchmarkpreise, deuten darauf hin, dass genau dieses Ziel verfolgt wird: eine geopolitische Entmachtung der LBMA – zugunsten eines asiatisch geführten, goldgedeckten Währungssystems, das den BRICS-Staaten Souveränität über ihre wirtschaftlichen Spielräume zurückgeben könnte.

Ein neuer Goldstandard – made in China?
Es ist noch zu früh, um das Ende des LME-Standards auszurufen. Doch das Fundament des westlichen Edelmetallmarktes beginnt zu bröckeln. Sollten sich internationale Investoren auf Chinas Preisbildungsmechanismen einlassen – aus wirtschaftlichem Opportunismus oder geopolitischem Druck –, könnte sich das Machtzentrum des Goldmarkts dauerhaft verschieben. Und das betrifft nicht nur institutionelle Händler, sondern jeden Anleger, der Gold als sicheren Hafen oder Inflationsschutz betrachtet. Wenn China die Spielregeln neu schreibt, werden sich auch die Risiken und Chancen grundlegend ändern.