Stirbt der Dollar? Wird Gold zur neuen Weltwährung?

Goldkäufe auf Rekordniveau: Ein fundamentaler Richtungswechsel
Zentralbanken haben zwischen 2022 und 2024 jährlich mehr als 1.000 Tonnen Gold gekauft - das ist mehr als doppelt so viel wie im Durchschnitt der vorangegangenen Dekade, der bei etwa 450 Tonnen lag. Diese Zahl steht nicht für taktische Manöver, sondern für einen strukturellen Umbruch. Es handelt sich um die deutlichste Goldnachfragewelle staatlicher Akteure seit Jahrzehnten. Und sie setzt sich 2025 fort: Laut der aktuellen Umfrage unter 73 Zentralbanken wollen 43 % ihre eigenen Goldreserven weiter ausbauen - ein historischer Höchststand. Zugleich rechnet die überwältigende Mehrheit von 95 % damit, dass auch die globalen Bestände weiter zunehmen.
Was sich hier abzeichnet, ist eine kollektive Bewegung der Notenbanken hin zu einem realen, unpolitischen Sicherungsanker - und weg von Fiat-Währungen, allen voran dem US-Dollar. Gold wird nicht mehr als Reserve neben dem Dollar betrachtet, sondern zunehmend anstelle davon.
Vertrauensverlust in den US-Dollar: Systemrisiko statt Stabilitätsanker
Noch liegt der Anteil des US-Dollars an den globalen Reserven laut IWF bei etwa 43 %, doch die Erwartungen sind eindeutig: 73 % der befragten Zentralbanken gehen davon aus, dass dieser Wert in den kommenden fünf Jahren weiter sinken wird. Besonders deutlich äußert sich diese Skepsis in den Schwellenländern, wo wirtschaftliche Souveränität und politische Unabhängigkeit mit wachsender Entschlossenheit verfolgt werden. Die Gründe sind offensichtlich: US-Sanktionen, Handelskriege, exterritoriale Gesetzgebung und ein zunehmend polarisierter politischer Kurs in Washington untergraben das Vertrauen in die "Neutralität" des Dollars.

Warum Zentralbanken auf Gold setzen
85 % der Befragten nennen die Performance von Gold in Krisenzeiten als ausschlaggebend, gefolgt von der Rolle als langfristiger Wertspeicher (80 %) und Portfolio-Diversifikator (81 %). Besonders in Schwellenländern wird Gold als geopolitischer Schutzschild betrachtet: 78 % der Zentralbanken dieser Gruppe sehen darin ein effektives Mittel zur Risikodiversifikation in einer fragmentierten Weltordnung.
Zunehmend wichtig wird auch das Thema "Sanktionen": Gold kann nicht eingefroren, beschlagnahmt oder abgewertet werden. Es unterliegt weder Zinspolitik noch Währungswettbewerb - es ist schlicht ein realer Wert, außerhalb des Schuldensystems. Genau das macht es so attraktiv.

Umsetzung in der Praxis: Rückholung, Verwaltung, Inlandsförderung
Dass es sich nicht nur um symbolische Maßnahmen handelt, zeigt ein Blick auf die technischen Details der Umfrage. 59 % der Zentralbanken lagern mittlerweile einen Teil ihres Goldes im Inland - ein deutlicher Anstieg gegenüber den 41 % des Vorjahres. Die Bank of England bleibt zwar mit 64 % beliebtester Lagerort, doch der Trend zur Repatriierung ist eindeutig.
Auch das Goldmanagement wird zunehmend professionell: 44 % der Notenbanken betreiben mittlerweile eine aktive Verwaltung ihrer Bestände, u. a. durch Swaps, Optionen oder taktisches Rebalancing. Hinzu kommt: In Ländern mit eigener Goldproduktion haben 56 % bereits ein staatliches Ankaufprogramm installiert, um heimisch gefördertes Gold direkt in die Reserven zu überführen. Diese Programme werden teils unter Weltmarktpreis abgewickelt - mit dem Ziel, sich vom globalen Handelsmechanismus unabhängiger zu machen.
Die unterschätzte Dynamik der Schwellenländer
Die eigentliche Dynamik kommt aus dem globalen Süden. Schwellenländer wie China, Indien, die Türkei oder Brasilien bauen nicht nur ihre Bestände aus, sie verfolgen auch explizite Strategien zur Förderung heimischer Goldproduktion und zum Aufbau eigener Kaufprogramme. Laut Umfrage betreiben 56 % der befragten Zentralbanken mit eigener Goldproduktion bereits ein nationales Kaufprogramm.
Diese Initiativen zeigen: Gold ist nicht nur ein Asset zur Absicherung, sondern zunehmend auch ein Mittel zur Förderung von wirtschaftlicher Unabhängigkeit und Währungsautonomie.
Verliert der Dollar seine Vormachtstellung?
Der World Gold Council formuliert vorsichtig von "anhaltendem Vertrauen in Gold". Doch die Daten sprechen eine deutlichere Sprache: Der US-Dollar steht unter strategischem Abwicklungsdruck. Nicht durch eine abrupte Krise - sondern durch einen kalkulierten Rückzug derjenigen, die die Weltliquidität kontrollieren.
Was wir beobachten, ist keine kurzfristige Reaktion auf Inflation oder Marktvolatilität. Es ist die Abkehr von einem Währungsregime, das seine politische Neutralität verloren hat. Gold erfüllt heute wieder, was Fiatgeld nicht mehr leisten kann: es bietet Sicherheit ohne Bedingungen.
Solange der Dollar als geopolitisches Werkzeug eingesetzt wird, wird Gold davon profitieren. Die Entwicklung ist schleichend, aber sie ist real. Und sie ist möglicherweise der Anfang vom Ende einer 80-jährigen Dollar-Ära.