Anklage: Kryptobörse FTX „auf Lügen gebaut“

Kundeneinlagen in Höhe von bis zu zehn Milliarden Dollar sollen durch die Kryptobörse FTX veruntreut worden sein
Eigentlich trägt Sam Bankman-Fried, seines Zeichens Gründer und ehemaliger Chef der Kryptobörse FTX, als persönliches Markenzeichen neben seinem Wuschelkopf stets und immer kurze Cargo-Hosen. Selbst bis kurz vor seiner Verhaftung auf den Bahamas im vergangenen Dezember beharrte er im Streit mit seiner Mutter auf diese Angewohnheit. Das zumindest schreibt der Autor Michael Lewis in seiner Biografie über den FTX-Gründer mit dem Titel „Going Infinite: The Rise and Fall of a New Tycoon“ (zu Deutsch etwa: Ins Unendliche gehen: Aufstieg und Fall eines neuen Tycoons).
Chef der Kryptobörse FTX drohen mehr als 100 Jahre Gefängnis
Zum Prozessauftakt am Dienstag (03.10.23) vor einem New Yorker Gericht erschien Bankman-Fried auf Anraten seiner Verteidiger schließlich in voller Geschäftsmontur, einschließlich einer neuen Kurzhaarfrisur, und plädierte in allen sieben Anklagepunkten wegen Betrugs und Verschwörung auf „nicht schuldig“. Sollte es zu einer Verurteilung in allen Anklagepunkten kommen, drohen Bankman-Fried nach Angaben der BBC mehr als 100 Jahre Gefängnis.
Bankman-Fried geriet ins Visier der Ermittler, als die Kryptobörse FTX im November 2022 inmitten eines Ansturms von Kunden zusammenbrach, als diese ihre Einlagen entnehmen wollten. Nur wenige Monate zuvor hatte Bankman-Fried demnach noch Millionen Dollar ausgegeben, damit Prominente für seine Kryptobörse warben. Diese beschrieben FTX als "sicherste und einfachste Art, Krypto zu kaufen und zu verkaufen".
„King of Crypto“ soll Imperium „auf Lügen gebaut“ haben
Dem kometenhaften Aufstieg der erst 2019 gegründeten Kryptobörse FTX folgte bereits Ende 2022 der überraschende Kollaps. Im nun begonnenen Prozess um die FTX-Pleite wirft die Staatsanwaltschaft dem Gründer Bankman-Fried groß angelegten Betrug, Lügen und Diebstahl in Milliardenhöhe vor. Staatsanwalt Thane Rehn erklärte vor Gericht, der Gründer der kollabierten Kryptobörse FTX habe nichts ahnenden Kunden mehr als zehn Milliarden Dollar abgenommen.
"Alles war auf Lügen aufgebaut", sagte Rehn über den in Medien so genannten „King of Crypto“. „Er benutzte sein Unternehmen FTX, um Betrug im großen Stil zu begehen, und das Geld, das er ausgab, um sein Imperium aufzubauen - das war Geld, das er von FTX-Kunden stahl“, so der Staatsanwalt. Bankman-Fried habe Villen gekauft und Millionen Dollar für Spenden an politische Organisationen ausgegeben, um sich Einfluss in Washington zu erkaufen.
Verteidigung: „Flugzeug gebaut, während sie damit geflogen sind“
Die Verteidigung um Mark Cohen dagegen erklärte, Bankman-Fried habe in gutem Glauben gehandelt. "Es gab keinen Diebstahl", sagte Cohen. "Sam hat niemanden betrogen. Sam hatte nicht die Absicht, jemanden zu betrügen." Vielmehr seien beim rasanten Wachstum des Startups Dinge übersehen worden. "Sam und seine Kollegen haben das Flugzeug gebaut, während sie damit geflogen sind", sagte Cohen. "Kein Mensch - und schon gar nicht Sam - konnte überall sein und alles machen."
Die Verteidigung erklärte weiter, ihr Mandant habe keine kriminellen Absichten gehegt, während er FTX zu einem Multimilliarden-Dollar-Schwergewicht in der Branche der Kryptowährungen aufbaute. Aufgrund des rasanten Wachstums seien einige entscheidende Details wie das Risikomanagement "übersehen" worden, sagte Cohen und bezeichnete die Behauptungen der Staatsanwälte über FTX als "aus dem Zusammenhang gerissen".
Größtes Betrugsverfahren in der Geschichte der USA
Die Kryptobörse FTX war erst im Mai 2019 gegründet worden und durchlebte einen rasanten Höhenflug bis zu seinem dramatischen Crash im November 2022. Seither befindet sich das Unternehmen mit Hauptsitz auf den Bahamas in einem Insolvenzverfahren. Über die Handelsplattform konnten Nutzer mit Kryptowährungen und anderen Finanzprodukten handeln. Bereits zwei Jahre nach Gründung hatte die Handelsplattform mehr als eine Million Nutzer und verzeichnete ein tägliches Handelsvolumen von bis zu zehn Milliarden Dollar.
Am 11. November 2022, dem Tag des Insolvenzantrages, soll es Medienberichten zufolge zu einem Hack auf die Kryptobörse FTX gekommen sein, wobei Kryptowährungen im Wert von mindestens 400 Millionen Dollar entwendet wurden. Insgesamt sollen durch verschiedene Transfers an den mit FTX verbundenen Krypto-Händler Alameda Research Kundeneinlagen in Höhe von bis zu zehn Milliarden Dollar veruntreut worden sein. Der Staatsanwalt Damian Williams hatte den Skandal um die FTX-Börse deshalb als eines der größten Betrugsverfahren in der Geschichte der USA bezeichnet.