Kupfer langfristig attraktiv, kurzfristig stark unter Druck
Die chinesischen Kupferhändler haben deshalb im Vergleich zu ihren westlichen Kollegen immer einen gewissen Informationsvorteil. Ihn haben sie in den letzten Jahren immer wieder gewinnbringend für sich genutzt. Im Mai wandte sich dieser Vorteil jedoch zu einem gewaltigen Nachteil. Er kostete die chinesischen Händler reichlich Nerven, ihr Gesicht und auch viel Geld.
Mit Blick auf die extrem schwache Kupfernachfrage im Reich der Mitte waren die chinesischen Händler sehr negativ für den Kupferpreis eingestellt. Sie gingen short und verkauften Kupfer an den Terminmärkten. Zwar war ihnen aufgefallen, dass der Kupferpreis im Westen stieg und deutlich über dem Preisniveau lag, das an der Börse in Shanghai gestellt wurde, doch ihr Vertrauen in die Dominanz der chinesischen Nachfrage war ungebrochen.
Verzweifelte chinesische Händler greifen zum Telefon und rufen ihnen unbekannte Hedgefondsmanager an
Was folgte war eine sehr demütigende Erfahrung für die chinesischen Händler, denn sie wurden von den steigenden Kupferpreisen an der Comex so stark in die Zange genommen, dass sie in ihrer Verzweiflung zum Telefon griffen und ihnen nur namentlich aus der Presse bekannte amerikanische Hedgefondsmanager anriefen.
Angerufen wurden Fondsmanager wie Pierre Andurand und Luke Sadrian. Sie gelten als einige der großen Kupferbullen und ihre Namen stehen bildlich für die hohe Liquidität, die im Mai plötzlich in den Kupfermarkt floss. Eine Welle von spekulativem Geld bahnte sich ihren Weg und trieb den Kupferpreis in immer neue Höhen.
Sie riss alle Bedenken hinsichtlich der aktuell schwachen Kupfernachfrage aus China mit sich und ließ den Kupferpreis immer steiler ansteigen. Der Höhepunkt dieser Bewegung war erreicht, als die chinesischen Händler kapitulieren und ihre Shortpositionen mit Verlust schließen mussten. Dieser Shortsqueez ließ den Kupferpreis nochmals deutlich über 11.100 US-Dollar je Tonne ansteigen.
In der Ruhe nach dem Sturm konzentriert sich der Markt wieder auf die physische Kupfernachfrage aus China
Gescheitert waren die chinesischen Händler vor allen an den trendfolgenden Fonds, die Kupfer einfach nur deshalb gekauft hatten, weil der Preis gerade stieg. Nachdem die chinesischen Shortseller ihre Schieflagen mit Schmerzen geschlossen und die westlichen Fonds einen Teil ihrer Buchgewinne realisiert hatten, normalisierte sich der Kupfermarkt wieder. Denn ohne die Nachfrage von westlichen Investoren, die mit viel Geld um sich werfen, überwiegen am Markt schnell wieder die chinesischen Bestellungen.
Von ihrem im Mai erreichten Hoch sind die Preise inzwischen wieder um rund 13 Prozent zurückgekommen. Eine kurzfristige Rückkehr zu den Hochs vom Mai ist nicht zu erwarten, denn nach Ansicht von Branchenkennern ist der Kupfermarkt kurzfristig so schwach ist wie noch nie.
Das führt zu einem ambivalenten Ausblick, denn kurzfristig dürfte der Pessimismus bezüglich der chinesischen Kupfernachfrage den Markt belasten. Mittel- bis langfristig ist jedoch mit einer massiven Kupferknappheit zu rechnen, weil die Wende hin zur Elektromobilität viel Kupfer erfordert und gleichzeitig die Exploration in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt wurde.
Eine grundlegende Wandlung des Kupfermarkts könnte sich hier ankündigen
Die Entwicklung der letzten vier bis acht Wochen ist damit auch ein Zeichen dafür, dass sich der Kupfermarkt grundlegend wandelt. Waren seit den späten 1990er Jahren Chinas Urbanisierung und Industrialisierung die treibenden Kräfte am Kupfermarkt, so wird dies in Zukunft die Elektrifizierung weiter Teile unseres Lebens sein.
Sie verschlingt große Mengen an Kupfer und dürfte dazu führen, dass wir in Zukunft noch einige fulminante Preisanstiege des roten Metalls sehen werden. Kurzfristig dürfte der Kupferpreis jedoch weiterhin zur Schwäche neigen, was antizyklisch agierenden Anlegern wiederum eine Gelegenheit verschafft, zu günstigen Preisen Positionen im Kupfersektor aufzubauen.