Silber – Gold – Krypto: Missverhältnisse, die ihresgleichen suchen
Ist der Höhenflug des Bitcoin am Ende nur auf Sand gebaut, weil die Kryptoinvestoren zu einseitig gedacht und das Silber vergessen haben?
Beide Grundannahmen sind hinterfragbar, denn wenn die erste Annahme richtig und das Verhalten der Marktteilnehmer immer von rational nachvollziehbaren Motiven bestimmt wäre, dann dürften panikartige Käufe oder Verkäufe einfach nicht mehr vorkommen und Angst und Gier hätten als treibende Motive an der Börse längst ausgedient. Aber haben sie das?
Auch hinter die zweite Grundannahme ist ein deutliches Fragezeichen zu setzen. Denn anzunehmen, dass alle relevanten Informationen offen auf dem Tisch liegen, mag noch angebracht sein. Aber ist die Erwartung realistisch, dass auch jeder Marktteilnehmer alle diese Informationen persönlich zur Kenntnis genommen hat?
Theoretisch wird dies vorausgesetzt, doch wie viel hat diese Theorie mit unserer Wirklichkeit noch zu tun, wenn wir in einer Zeit leben, in der an jedem Tag eine nicht mehr zu beherrschende Informationsfülle auf uns hereinbricht? Sie erfordert, dass wir Techniken zur Vereinfachung und schnellen Bewältigung dieser Informationsflut anwenden, ja anwenden müssen, um zu überleben.
Heuristiken vereinfachen das Leben. Sie sind dadurch aber auch eine Gefahr
Diese sogenannten Heuristiken führen allerdings zwangsläufig dazu, dass an irgendeiner Stelle irgendwas übersehen wird, ja sogar übersehen werden muss. Extrem schädlich, wird dieser Zwang zum Übersehen, wenn alle ihre Aufmerksamkeit nur noch auf die gleichen Dinge und Sektoren lenken. Ist dieser Punkt erreicht, können Entwicklungen leicht aus dem Ruder laufen, weil alle in der gleichen Weise abgelenkt auf der einen und mit ihrer Aufmerksamkeit auf der anderen Seite gebunden sind.
Wenn ein medizinischer Laie die neuesten Forschungsergebnisse nicht zur Kenntnis nimmt, obwohl sie auch für ihn frei zugänglich sind, ist das nachvollziehbar. Wenn allerdings auch die Ärzte selbst nicht mehr hinschauen, weil sie nicht wissen, wo ihnen der Kopf steht, wird es schnell gefährlich – und zwar für alle, nicht nur für die Ärzte.
Eine solche Situation ist an den Finanzmärkten gerade gegeben, denn hier erleben wir schon seit einiger Zeit eine erheblich Fehlallokation von Kapital. Das Grundübel besteht dabei darin, dass das Kapital nicht mehr dorthin fließt, wo es gebraucht wird, sondern in jene Sektoren geleitet wird, die gerade besonders populär sind, auch wenn ihr Nutzen ausgesprochen beschränkt ist.
Extreme Verzerrungen kennzeichnen die heutigen Rohstoff- und Kapitalmärkte
Für jeden von uns sind 19 Milliarden US-Dollar eine Menge Geld, schließlich muss man schon zu den Reichsten der Reichen gehören, um so eine große Summe sein eigen zu nennen. Für einen weltweiten industriellen Sektor sind 19 Milliarden US-Dollar allerdings eine sehr kleine Größe und für diesen äußerst bescheidenen Betrag können Sie derzeit alle Silberminen und Silberminenentwickler der Welt kaufen.
Etwas teurer wird es, wenn ein Investor den gesamten Goldsektor erwerben möchte. In diesem Fall sind 430 Milliarden US-Dollar aufzuwenden. 2.040 Milliarden US-Dollar also fast die fünffache Geldmenge ist nötig, soll der gesamte Sektor der Krypto-Investments übernommen werden. Billiger wird es, wenn „nur“ alle 500 im S&P500 gelistete US-Unternehmen übernommen werden sollen. In diesem Fall sind lediglich 1.563 Milliarden US-Dollar nötig. Wer allerdings Apple übernehmen möchte, der sollte etwas mehr Geld mitbringen, denn Apples Marktkapitalisierung liegt bei stolzen 3,5 Billionen US-Dollar.
Ob man Gold und den Goldminensektor wirklich braucht, darüber kann man trefflich streiten. Auch darüber, ob die ganzen Kryptoinvestments das Geld wert sind, das die Anleger bislang in sie hineingesteckt haben, denn schließlich haben Bitcoin & Co bislang noch nicht eine einzige Rezession erfolgreich überstanden.
Silber kommt ohne die vielen Kryptocoins gut aus, aber Krypto ohne Silber, das wird schwierig
Unbestreitbar dürfte allerdings sein, dass weder die Kryptowährungen noch Apple irgendeine Zukunft haben werden, sollte der Welt in Kürze das Silber ausgehen. Viele meinen, das wird nicht geschehen, weil immer Silber gefördert werden wird. Das ist eine recht optimistische Annahme, denn ohne Investitionen in den Sektor wird es mittelfristig viel zu wenig und langfristig gar kein Silber mehr geben.
Die Situation erinnert damit unwillkürlich an den Arzt, der keine Zeit mehr hat, die neuesten medizinischen Forschungsberichte zu lesen, weil er nicht weiß, wo ihm der Kopf steht bzw. weil er anderes im Sinn hat. Ob das gut geht und ob die Patienten bei diesem Mediziner gut aufgehoben sind, sind zwei Fragen, die an dieser Stelle unbedingt gestellt werden müssen.
Um Silber zu fördern, reicht im Grunde immer noch die gute, alte Spitzhacke. Auch wenn es mit moderner Bergbautechnologie natürlich wesentlich leichter und effizienter geht. Aber Kryptocoins braucht man definitiv nicht. Neue Kryptocoins ohne Silber zu schürfen oder ohne Silber von einer Person zur nächsten zu transferieren, wird allerdings schwierig werden, denn die physikalischen Fähigkeiten des weißen Edelmetalls sind so einzigartig, dass sie nur von wenigen anderen Metallen erreicht werden.
Kupfer und Aluminium können an dieser Stelle nicht mithalten. Das Gold schon. Dieses ist allerdings rund 17 mal seltener als Silber und momentan auch 80 mal teurer. Irgendwie ist es schon schade, dass sich zwei Billionen US-Dollar Marktkapitalisierung im Krypto-Sektor und weitere 3,5 Billionen US-Dollar bei Apple schon bald in Luft auflösen könnten, nur weil die Welt in ihrer einseitigen Einfalt vergessen hat, ein paar wenige US-Dollar, Euro, Yen oder Yuan in die Entwicklung von neuen Silberprojekten zu stecken.